Neue Heimat Lüneburger Heide

Im Jahr 2000 zog ich also frischen Mutes vom Schwarzwald in die Lüneburger Heide. Ich liebte und liebe diese Ecke Deutschlands sehr und darum war auch die Vorfreude auf meine neue Heimat unbändig groß. Das Erste, was ich hier mit großen und staunenden Augen registrierte, waren Panzer. Nie im Leben hatte ich bislang so hautnah irgendwelche Militärfahrzeuge und dazugehörende Mannschaften gesehen, wie in den ersten Tagen nach meinem Umzug. Ich erinnere mich, dass ich auf dem Heimweg von der Arbeit nach Hause eine Brücke zu unterfahren hatte. Eines Tages bewegte sich auf dieser Brücke eine Militärkolonne über die Straße und mir blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Ich fuhr rechts ran und stand mit weit aufgerissenen Augen die Kolonne beobachtend vor der Brücke und kriegte mich fast nicht mehr ein. Noch heute erinnere ich mich an das Brummen der Panzer, das ich bis in meine Eingeweide hatte spüren können.

Mein ehemaliger Lebensgefährte und ich wohnten damals fast direkt an einem Truppenübungsplatz, den man auch überqueren und so die Fahrt in den nächsten Ort abkürzen konnte, sofern dort eben nicht geübt wurde. Ich lernte sehr bald, dass ich auf die Ballons zu achten hatte, die sich direkt an der Einfahrt zu eben dieser Abkürzung über den Platz befanden. Allerdings lernte ich es mehr unfreiwillig.

Ich hatte noch das Freiburger Kennzeichen auf meinem Auto, als ich zum Einkaufen in die nächste Ortschaft wollte. Um Zeit zu sparen, wollte ich dazu den Übungsplatz durchqueren. An sich ist und war das kein Problem, wenn eben dieser Platz geöffnet ist. Leider war er es an diesem Tag offenbar nicht. Ich erfuhr später, dass die Warnballons zwar gehisst waren, die Schranken aber noch nicht die Einfahrt auf den Platz verwehrten. Also fuhr ich drauf los.

Nach einigen hundert Metern sah ich im Rückspiegel einen Jeep. Ich drückte etwas mehr aufs Gas, der Jeep folgte. Nach wenigen Metern hatte er mich eingeholt und setzte sich vor mich. Ich musste stehen bleiben. Aus dem Jeep stieg ein Soldat, holte tief Luft um mich zu maßregeln, sah kurz auf mein Autokennzeichen und lächelte plötzlich milde:

“Ach so, alles klar. Fahren Sie uns hinterher!”

Äh, – ja. Gesagt, getan.

Auf der anderen Seite des Platzes angekommen erhielt ich erst einmal eine Exklusivschulung in Sachen gehisster Ballons und Platzsperrung. Nach dieser ist es mir nur noch einmal passiert, dass ich trotz Warnballons über den Platz fuhr, gejagt von einem Jeep.

Inzwischen habe ich mich an das Leben mit dem Militär gewöhnt und bleibe nicht mehr staunend stehen, wenn ich einem Menschen in Uniform begegne. Alles wird irgendwann zur Gewohnheit. Auch das. Und nicht nur das.


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