Geister-Erscheinungen im Wald

Donnie hatte ein Feuer im Kamin entfacht. Eng aneinandergeschmiegt lagen Julie und er davor und genossen die Wärme, die der Kamin ausstrahlte. Julie war glücklich. Sie schloss die Augen.

»Ich weiß gar nichts von dir«, hörte sie Donnie sagen. Sie sah ihn an.

»Was willst du wissen?«, fragte sie.

»Alles!«, lachte er und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Das sagt man doch in solchen Situationen, oder?«

»In den meisten Filmen, ja«, kicherte Julie.

»Warum wolltest du abreisen?«, fragte Donnie endlich nach einer langen Weile des Schweigens.

»Das wollte ich nicht, wirklich«, sagte Julie. »Ich habe keine Ahnung, warum ich die Sachen in den Koffer gepackt habe. Ich war wie in Trance!«

»Uh, der Zauber von Finnlay House!«, alberte Donnie.

»Wenn schon«, meinte Julie nachdenklich. Nach einer geraumen Weile sagte sie: »Du hast mich ja erlöst!«

»Das habe ich«, antwortete Donnie. Er sah lange und nachdenklich in Julies Augen, ehe er sagte: »Wenn ich es nicht besser wüsste, hast du wirklich ausgesehen, als wärst du in Trance gewesen.«

Julie schwieg. Es lag ihr auf der Zunge, Donnie von ihren Erlebnissen zu berichten, aber sie schwieg. Sie kannte seine Einstellung zu diesem Thema und sie wollte auf keinen Fall die schöne Atmosphäre zerstören, in der sie sich gerade befanden. Donnie war ihr ganz nah und sie genoss seine Nähe. Nach einer geraumen Weile aber konnte sie dieses Schweigen nicht länger ertragen und fragte vorsichtig:

»Hat es dich noch nie interessiert, wie es hinter der Mauer aussieht?«

»Ach Julie, kannst du nicht für einen Moment dieses alte Gemäuer vergessen?« Donnie stand auf und schlüpfte in seine Jeans. Julie tat das körperlich weh. Gerade eben war es noch so schön gewesen und sie hatte mit einer einzigen Frage den Zauber des Moments zerstört.

»Sag doch mal ehrlich, Donnie!«, bat Julie und sah ihm dabei zu.

»Nein! Es hat mich noch nie interessiert. Aber du scheinst ja wirklich besessen von dem Gedanken zu sein, da hineinzukommen!«, meinte Donnie etwas ungehalten.

»Was ist daran so falsch? Ich interessiere mich eben für so alte Häuser und deren Geschichte!«, maulte Julie.

»Das sind bestenfalls nur noch ein paar Wände mit einem Dach darauf. Vorausgesetzt, dass das Haus überhaupt noch steht.« Donnie fühlte sich offenbar schon wie zu Hause. Er ging in die Küche und begann, die Kaffeemaschine in Gang zu setzen. »Und Geschichte, soweit ich weiß, hatte das Haus keine. Zumindest ist nichts überliefert«, fuhr er zu Julie gewandt fort, die ihm gefolgt war.

»Jedes Haus hat eine Geschichte!«, meuterte Julie und zog sich ebenfalls wieder an.

»Dann hat Finnlay House keine, an die man sich hier erinnert«, konterte Donnie.

»Oder an die man sich erinnern will!«, meinte Julie mit einem schiefen Blick zu Donnie, der theatralisch die Hände rang und schmunzelte:

»Du gibst nicht auf, was?«

»Nicht, bis ich nicht mindestens mal einen Blick auf das alte Haus werfen konnte.«

»Solange bleibst du?«, fragte Donnie nun zärtlicher und nahm Julie in die Arme. Sie nickte.

»Das kann Jahre dauern. Es gibt keinen Weg hinein, es sei denn, man klettert über die Mauer. Und wer will das schon!«, lachte Donnie siegessicher.

»Vielleicht habe ich schon einen Weg gefunden«, grinste Julie und beobachtete, wie das Lachen aus Donnies Gesicht verschwand.

»Wie?«, fragte er nach einigen Sekunden.

»Der Sturm hat einen Baum genau auf die Mauer fallen lassen!«, antwortete Julie keck.

»Und da bist du herumgeklettert? Bist du verrückt geworden, Julie?« Donnie ließ Julie los.

»Ach, das ist völlig ungefährlich«, meinte sie lapidar. Innerlich aber tobte ein Sturm in ihr. Warum zum Henker hatte sie Donnie eben ihr Geheimnis mitgeteilt?

»Ungefährlich!« Donnie raufte sich die Haare. »Du bist wirklich verrückt, Julie Miller! Ich will nicht, dass du da wieder hingehst, hörst du?«

»Warum regst du dich so auf?« Julie verstand nicht, was Donnie jetzt so in Rage brachte. Bis vor wenigen Minuten waren sie noch selig aneinander gekuschelt vor dem Kamin gelegen. Und jetzt schien er sich immer mehr in Rage zu reden. Warum konnte er nicht verstehen, dass sie dieses Haus wenigstens einmal sehen wollte? Aber konnte sie es denn verstehen?

Verwirrt setzte sich Julie an den Tisch. Sie hatte schon einige Male zusammen mit Bekannten oder Freunden alte Häuser erkundet, von denen es in Amerika einige gab. Aber noch nie war sie so von dem Wunsch besessen gewesen, wenigstens mal einen Blick auf das Haus werfen zu können! Sie konnte nicht erklären, warum das so war.

Es tat ihr inzwischen auch leid, von diesem Thema wieder angefangen zu haben. Donnie blickte etwas mürrisch und Julie wusste genau warum. Sie streichelte …

… zur Leseprobe “Kapitel 13”


Diese Leseprobe teilen: