Arjo entfacht ein Kaminfeuer

Ich war ziemlich müde und doch nicht müde genug, um schon schlafen zu gehen. Die Sonne hatte mich aufgewärmt, und nachdem sie sich verzogen hatte, wurde mir nun doch ziemlich kalt. Arjo entfachte ein Feuer im Kamin. Erst als die Flammen hell aufloderten, fühlte ich mich wieder wohler.

»Du leidest ebenfalls noch unter Defiziten«, stellte Arjo fest und setzte sich zu mir auf das Sofa. Ich hatte mich unter der Wolldecke verkrochen, von der Arjo nun ziemlich albern die Hälfte für sich beanspruchte.

»Ich versteh das immer noch nicht«, sagte ich, als ich endlich nachgab und mich an seinen warmen Körper kuschelte.

»Was?«, fragte Arjo.

»Dass dieses Defizit uns beiden so lange zu schaffen macht. Nun ja, bei mir kann ich es noch halbwegs nachvollziehen. Aber du? Sagten Garigh und Ardwenid nicht, dass dir niemals Grenzen auferlegt wären?«

»Das ist richtig. Aber offensichtlich muss auch ich noch lernen«, antwortete Arjo.

»Lernen? Du? Was denn zum Beispiel?«

»Mit meinen Kraftreserven richtig umzugehen.«

»Ach so?«

»Ich weiß, oder ich spüre, dass Garigh recht damit hatte, als er das damals sagte. Allerdings spüre ich auch, dass mein physischer Körper mir da doch einige Grenzen auferlegt. Ich muss eben lernen, diese Grenzen zu meinem Vorteil zu nutzen.«

»Dein physischer Körper!«, kicherte ich.

»Warum lachst du?«, entrüstete Arjo sich gespielt. »Um mit dem umgehen zu können, was mir in die Wiege gelegt wurde, muss mein Körper genau wie ich selbst eben auch dazulernen, um eventuelle Schwächen in Stärken zu wandeln. Als du zum ersten Mal dein Energiefeld aufgelöst hast, hast du selbst erfahren, wie eingesperrt du dich fühltest, nachdem du wieder zurück warst. Erinnere dich nur einmal daran! Genau das Gleiche spüre ich. Ich ahne, dass da noch so vieles ist, was ich erreichen könnte und woran mich mein physischer Körper und mein Nichtwissen noch hindern. Ich muss lernen, diese Grenzen zu umgehen, auch die, die mir mein Körper aufzeigt.«

»Und wie willst du das anstellen?«, fragte ich. »Ich meine, du hast niemanden, der dir das zeigen oder aus eigener Erfahrung berichten könnte. Du hast keinen Lehrmeister, Ardwenjo. Wie willst du lernen, wenn du nicht weißt, was du zu lernen hast?«

»Ich experimentiere«, antwortete Arjo trocken und zog mich fest in seine Arme.

»Du experimentierst? Davon habe ich noch nichts gemerkt«, konterte ich.

»Das ist auch gut so. Das tu ich heimlich«, lachte Arjo ausgelassen, ehe er etwas ernster hinzufügte: »Ich hätte wirklich gerne einen Lehrmeister. Jemanden, der mit aufzeigt, wohin mein Weg führt und was da wirklich noch alles in mir schlummert. Bislang kann ich nur auf meine innere Stimme hören und einiges austesten. So habe ich zum Beispiel auch herausgefunden, dass ein Kuss von dir ein enormer Energieschub für mich ist.«

»Ach!«

»Ja! Außerdem gibt mir deine Nähe sehr viel Kraft.«

»Ach?«

»Es reicht alleine schon, wenn du mich ansiehst, ma ghràid.«

»Aha! Daher beziehst du also deine Energie?«

»Ich und mein physischer Körper. Er ist nun einmal doch nicht so perfekt«, ulkte Arjo mit einer urkomischen Grimasse.

»Er ist absolut perfekt!«, seufzte ich.

»Ist er das?« Arjos Lachen war plötzlich verschwunden und er sah mich für Sekunden ernst an.

»In meinen Augen ja.« Weiter konnte ich nicht sprechen, denn Arjo verschloss meine Lippen mit seinen. Er zog die Wolldecke über unsere Köpfe und seine Hände gingen auf Wanderschaft.

Es war wohlig warm im Wohnzimmer. Wir lagen auf dem Sofa. Arjo hatte die Wolldecke über uns ausgebreitet und mich eng an sich gezogen. Mit der linken Hand streichelte er meine Schulter und folgte mit seinen Augen seinen Fingerspitzen. Ich genoss dieses „Danach“ immer sehr. Kein einziges Mal hatte er sich, wie Ron es so oft zu tun pflegte, gleich von mir abgewandt und war einfach eingeschlafen. Er hielt mich immer noch sehr lange, streichelte mich mit kindlicher Neugier und zeigte mir so, wie sehr er meine Nähe genoss. Und ich genoss seine. Es war mir immer noch unbegreiflich, dass er mich so begehrte. Ein Mann wie er! Ich musste grinsen, als ich das dachte, und Arjo sah mir in die Augen.

»Was ist?«, fragte er leise.

»Ich hatte eben nur einen ziemlich blöden Gedanken«, antwortete ich.

»So?«, fragte er, um nach einer kleinen Weile nachzubohren: »Darf ich ihn wissen?«

»Es ist nur, dass ich immer noch nicht begreifen kann, dass ein Mann wie du – ach vergiss es!«

»Ein Mann wie ich?«, nahm Arjo meine Worte auf.

»Ach, es war wirklich ein blöder Gedanke!«

Arjo legte seinen Zeigefinger über meine Lippen und …

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