Bei uns war dieses Weihnachten ganz beschaulich. Eigentlich wie jedes Jahr. Ein wenig Geschenk auspacken hier, ein wenig naschen da. Tölpelchen war mit seiner Eisenbahn beschäftigt und somit aus der Schusslinie.
- Ja, ER spielte Eisenbahn. H0, wie ich inzwischen gelernt habe.
- ER kann inzwischen auch auf seinem PC Baupläne entwerfen für seine Eisenbahn.
- ER hat inzwischen einen Bahnhof gekauft. (Fertig zusammengebaut, versteht sich!)
- ER hat sich selbst ein digitales Signal für die Eisenbahn gekauft.
- ER spielt Eisenbahn.
Und ich bin schuld daran!
Es war wohl vor 3 Jahren ebenfalls so um Weihnachten herum, als ich auf der Suche nach einem Geschenk für den göttlichsten aller Gatten ziellos durch unseren Wohnort streifte. Mir wollte einfach nichts einfallen, was ihn mal so richtig aus den Schuhen hauen sollte. Und da sah ich im Fenster einer Apotheke eine Eisenbahn aufgebaut, so richtig mit Lokomotive, Schnee, Häusern und Bergen.
Nun bin ich kein Freund geschenklicher Schnellschüsse. Also zerrte ich Männe eines Abends an der Hand ganz zufällig im Spaziergangmodus und slow motion an diesem Fenster vorbei. Und, – was soll ich sagen? Es war ein Bild für Götter! Fünf- und sechsjährige Dreikäsehochs drückten sich die Nase an der Scheibe platt und mitten drin zwei laufende Meter Göttergatte. Er war nicht mehr zu bremsen! Es wurde mir schon fast peinlich, als er mit den Kindern, die ebenfalls vor dem Schaufenster standen, anfing, zu fachsimpeln. Aber von da an wusste ich: DAS war das Richtige!
An diesem Heiligen Abend und noch WOCHEN danach umkreiste eine auf einem perfekten Ring aus Schienen fahrende Eisenbahn unseren Adventskranz auf dem Wohnzimmertisch. Ich hatte mich so daran gewöhnt, dass es mir körperlich richtig wehtat, als mein Gatte die Bahn wieder in ihrem Karton verstaute und ich den inzwischen fast nadellosen Adventskranz endlich der Müllverwertung zuführen konnte. Weihnachten darauf wurde die Bahn wieder ausgepackt, um sie um den Adventskranz kreisen zu lassen. Es war gleich einer Mahnung an mich, ich möge doch endlich für Erweiterung ihrer begrenzten Gleise sorgen. Was ich dann auch tat.
Nun kreiste sie nach Weihnachten nicht mehr, sie „elypsierte“ um den Kranz mit den vier Kerzenstummeln.
Weihnachten darauf genau das gleiche, und so sorgte ich für ein Abstellgleis und Weichen. Nun konnte man tatsächlich in einem der Waggons zum Beispiel ein Feuerzeug von A nach B transportieren.
Die Anlage wuchs, doch wenn ich zurückdenke an das letzte Weihnachtsfest, so erfüllt dies mich mit Sorge. Die Bahn wurde erst NACH Heilig Abend aufgebaut. Seit dem saß Männe vor seinem PC und träumte den Traum einer perfekten Anlage. Ich tat mir schon leid, denn ich wurde peinlich genau in die Bedürfnisse für eine solche Anlage eingeweiht. Just fiel mir ein, dass mein Gemahl im Januar Geburtstag hat. Aha, daher wehte der Wind also!
Lieber Gott, lass den Geldfluss nie versiegen!
Nun ging es ja auf Silvester zu. Ein heimeliges Gefühl machte sich in mir breit, heimeliger, als es zu Weihnachten war, denn da fehlte ja das Geräusch der Adventskranz umkreisenden Eisenbahn. Es wäre perfekt gewesen, wenn da nicht der Silvestereinkauf angestanden hätte.
An Silvestermorgen beschloss ich, diesen Einkauf in Ruhe und Frieden alleine zu erledigen. Viel stand ja nicht an und ich wollte alleine los, um nicht durch meinen wie vom Beelzebub durch die Gänge gejagten Kerl aufpassen zu müssen.
Nach der ersten Tasse Kaffee ging es mir gut, so gut, dass ich mich todesmutig in die Dusche wagte. Man muss dazu sagen, dass wir zu der Zeit noch in einem Altbau wohnten. Und ich meine wirklich ALTbau. Als man das Bad saniert hatte (jahaaaa, ich war stolze Besitzerin einer Dusche UND einer Badewanne nebst WC…) hatte man wohl vergessen, dass die Zuleitungen so schwach waren, dass man während des Waschvorganges nur eiskaltes Wasser zur Verfügung hatte. Soll ja gesund sein. Demnach war meine Dusche ein Wellnesstempel. Die Kur mit dem eiskalten Wasser dauerte ungefähr so lange, bis man sich vom lästigen Seifenschaum befreit hatte, DANN wurde es schlagartig heiß! So heiß, dass man mit Freude aus der Dusche sprang, denn man konnte die Temperatur am Duschhahn nicht regeln.
Eine weitere Herausforderung wartete dann wie jeden Morgen auf mich:
In Ermangelung einer weiteren Steckdose in der Küche musste ich eine folgenschwere Entscheidung treffen: Toast oder Kaffee? Das waren richtige Kämpfe, die ich da mit mir austragen musste, weil ich in der Küche nur eine Steckdose hatte! Eine für Kaffeemaschine, Mixer, und Toaster und was man eben sonst noch so in der Küche mit Strom anstellt. Eine für alles! Und da ich ohne meinen Morgenkaffee ungenießbar bin, verlor jedes Mal der Toast.
Als ich dann so saß fiel mir siedend heiß ein, dass ich ja noch tanken musste. Also nix mit rumgammeln und so. Wenn ich einkaufen wollte, musste ich noch unbedingt vorher tanken! Demnach nix wie raus in den Wintermorgen. Vor der Türe wartete schon meine nächste Herausforderung: Mein Auto lies mich nicht rein! Ich guckte, und das ziemlich doof. Was war denn das? Sah aus wie Eis, fühlte sich an wie Eis – es war Eis! Mühsam hatte ich mittels Handwärme ein Guckloch in die Seitenscheibe getaut und was grinste mich da an? Mein Defrosterspray! Sinnigerweise IM Auto und nicht IN meiner Handtasche.
Haben Sie, lieber Leser, schon mal versucht, mit einer Haarbürste (Frau trägt so was ja immer bei sich) die Scheiben frei zu kratzen, zwischendurch mittels Atemluft und Handwärme die Türe aufzusperren? Es gelang mir, – allerdings erst, nachdem ich die Scheiben frei, die Bürste zerbrochen und tausendmal aufs Rauchen geflucht hatte. Man ist so schrecklich kurzatmig.
Aber einmal drin im Auto war fast alles vergessen. Fast, wenn da nicht dieser Eisbelag gewesen wäre, der die Frontscheibe von innen undurchsichtig gemacht hatte. Aber wozu hatte ich mein Defrosterspray? Flugs wurde das auf einen Lappen gesprüht und dann erst mal der Nikotinbelag von der Frontscheibe in feinster Wischtechnik gleichmäßig verteilt. Inzwischen wurde es auch warm im Auto. Ich dampfte, ob der morgendlichen Gymnastik. Und ich lernte elementares über den Wasserkreislauf, denn der Dampf stieg auf und wurde zu Eis …
Durch ein faustgroßes Guckloch spähend und nach allen Richtungen lauschend hatte ich es dann doch zur Tanke geschafft. Man darf sich nun vorstellen, dass offenbar die gesamte, autofahrende Männerwelt genau um die Uhrzeit ebenfalls tanken musste. Und man darf sich auch vorstellen, was für ein Spießrutenlauf ich von der Zapfsäule zur Kasse und wieder zurück zu meinem Eiswürfel hinter mich bringen musste. Und ich konnte mir vorstellen, dass mein Auftritt auch nach meiner Abfahrt sicher noch Gesprächsthema im Stehbistro gewesen war. Wir alle können uns wohl vorstellen, dass ein Mann, der so auf einer Tankanlage vorfährt, umwerfend cool wirkt, eine Frau aber ist einfach nur dusslig. Gut, damit konnte ich leben, damit musste ich leben.
Und dann ging es im Schneckeneiltempo über die mit Blitzeis überzogenen Straßen. Es war gemein glatt, und trotzdem überholten mich die anderen. Machte ich was falsch? Ich zuckelte mit MACH 30 über die Landstraße, ich liebte den Morgen – und im Radio spielten sie: „Morning has broken“… (Dabei war es meine Haarbürste!)
Na, wie auch immer. Ich war richtig stolz auf mich: Ich hatte mir im Sonderangebot eine neue Haarbürste ergattert. Blieb abzuwarten, was die taugte. Ich schwankte allerdings noch, ob ich die neue Bürste zum Eiskratzer degradieren oder besser die alte in die Tasche stopfen sollte, denn mein Defrosterspray lag abends mal wieder IM Auto.
Um jedoch zurück zu meiner alten Wohnung und zur Küche zu kommen, zu meinem heiß geliebten Altbau. Ich kann Sie, lieber Leser, fragen hören: Ja, kann man da nicht einige Steckdosen nachrüsten?
Ja hätte man sicher schon können. Ich meine, für die Kabelverlegearbeiten hätte man nicht einmal Schlitze zu fräsen gebraucht! Die waren naturgegeben. Die waren einfach da. Ich hatte jeden Monat einen mehr in den Wänden oder den Zimmerdecken.
Ich hatte keine Ahnung, wo die Risse herkamen. Mein erster Gedanke war ja, dass das Haus auf einer Seite absumpfen würde. Wir wohnten in der Nähe eines Moores. Doch dann müsste, (jetzt wird’s mathematisch!) bezogen auf die lange Zeit, die das Haus schon stand, höchstens nur noch das Dach oben rausgucken dürfen, wenn überhaupt. Ich konnte aber noch ziemlich gut aus den Fenstern sehen. Das konnte es also nicht sein. Weitere Überlegungen gingen dahin, dass vielleicht unter dem Haus ein Tagebau betrieben wurde, mit Sprengungen und so. Oder vielleicht eine U-Bahn? Obwohl ich persönlich ja das mit dem Tagebau für zu abwegig hielt. In einer Kleinstadt mitten in der Lüneburger Heide. Was wollten die da wohl abbauen? Gab es dort vielleicht Kohle? Dann schon eher die U-Bahn. Ich hatte mich schon immer gewundert, dass es dort keinen Keller gab, aber eine Kellertür. Ich hätte da doch mal nachforschen sollen!
Wenn ich so weiter überlege, hätte eine weitere Stromverteilungsader auch meinem abendlichen Lichterflackern etwas mehr Romantik gebracht. Es war nämlich so, dass ich niemals, nie nicht, auf keinen Fall den Staubsauger und die Kaffeemaschine zusammen anschalten durfte. Oder den Fernseher und den PC. Oder den Herd und die Kaffeemaschine. Oder die Waschmaschine und den Staubsauger. Die Kombinationen waren beinahe grenzenlos! Wenn man das nämlich tat, saß man für eine ganze Weile im Dunkeln und konnte gar nichts mehr machen. Sicher musste man nach einem solchen Super-GAU die Sicherungen wieder rein drehen. Allerdings hatte die Erfahrung gezeigt, dass man seelenruhig auf 1.000 zählen konnte, bevor man den ersten Versuch der Stromabnahme wieder starten durfte. Dann konnte man Glück haben, dass die Sicherung drinnen blieb.
Ich hatte gelernt, damit zu leben. Oh, die Einhaltung diverser Stromverbraucherrituale hatte sogar mein Leben bereichert. Ich beherrschte das nacheinander schalten verschiedener Elektrogeräte aus dem FF. Zu Anfang musste ich mich in tiefer Meditation erst in die Geräte hinein versenken, eins werden mit der Materie und meinem ich. So hatte ich durch die Meditation eine unglaublich effektive Reihenschaltungsfolge ohne jeden Zeitverlust erlangt. Quasi die Zen-Meisterschaft im Steckdosenverwerten. Den 10. DAN im Stromverbraucherreihenschalten. Das machte mir so schnell keiner nach! Not macht eben doch erfinderisch und sollte diese Reihenendschaltung doch mal schief laufen, gab es ja noch die Gelben Seiten. Nur, wo waren die doch gleich?